Lieferengpässe bei Semaglutid: Was Sie wissen sollten
Einige Praktiken bei der Rezepturherstellung könnten Patienten in Gefahr bringen
Aufgrund von Lieferengpässen bei Ozempic und Wegovy sind viele auf der Suche nach Alternativen. Apotheken mit eigener Arzneimittelherstellung mussten die Lücke schließen. Doch welche Risiken birgt die Anwendung von Semaglutid-Rezepturen?
Im Text werden die Sicherheitsbedenken der US‑amerikanischen FDA (Food and Drug Administration) erläutert. Außerdem finden Sie hier Tipps, wie Sie die Risiken für Ihre Patienten minimieren können.
Was ist Semaglutid?
Chemisch betrachtet ist Semaglutid ein GLP‑1-Rezeptor-Agonist. Der Arzneistoff ahmt ein Hormon nach, dass als Reaktion auf die Nahrungsaufnahme im Darm ausgeschüttet wird. Dadurch wird die Insulinproduktion stimuliert und der Blutzuckerspiegel sinkt. Semaglutid sorgt auch für ein Sättigungsgefühl und bremst damit den Appetit.
Die Semaglutid-Medikamente Wegovy und Ozempic werden einmal wöchentlich als Injektion verabreicht. Wegovy wird zum Gewichtsmanagement eingesetzt. Patienten mit Typ‑2-Diabetes können Ozempic verschrieben bekommen, manchmal wird es im Off-Label-Use aber auch zur Gewichtsabnahme verwendet.
Wie funktioniert die Rezepturherstellung?
Bei der Rezepturherstellung werden patientenindividuelle Arzneimittel produziert. Dabei kann beispielsweise für einen Patienten mit einer bestimmten Allergie ein verschreibungspflichtiges Medikament nach einer anderen Rezeptur hergestellt werden. Oder ein Arzneimittel wird anstelle von Tabletten in flüssiger Form abgegeben. In den USA gibt es etwa 7500 Apotheken, die auf die Herstellung von Rezepturarzneimitteln spezialisiert sind.
Laut FDA könnten qualifizierte Apotheken im Fall eines Lieferengpasses selbst eine Rezeptur des Arzneimittels herstellen. Solche Rezepturarzneimittel durchlaufen jedoch kein eigenes Zulassungsverfahren der FDA. Stattdessen müssen Apotheken zur Herstellung dieser Medikamente bestimmte Anforderungen des Federal Food, Drug, and Cosmetic (FD&C) Act erfüllen. Diese Diskrepanz wirft einige Fragen hinsichtlich der Herstellung von Semaglutid-Rezepturen auf.
Welche Bedenken hat die FDA bezüglich der Anwendung von Semaglutid-Rezepturen?
Letzten Mai verlautbarte die FDA, dass sie Meldungen von Patienten erhalten habe, bei denen bei der Anwendung von Semaglutid-Rezepturen unerwünschte Ergebnisse auftraten.
In derselben Mitteilung merkte die FDA auch an, dass einige Hersteller von Rezepturarzneimitteln möglicherweise Salze von Semaglutid verwenden. Diese Rezeptur unterscheidet sich vom basischen Semaglutid, das in Ozempic und Wegovy enthalten ist. Die FDA meldet:
- Die Salze von Semaglutid haben sich nicht als sicher und wirksam erwiesen.
- Die Herstellung einer Rezeptur mit den Salzen von Semaglutid entspricht nicht den staatlichen Anforderungen.
Wer kontrolliert die Hersteller von Rezepturarzneimitteln?
Die FDA übt bei der Herstellung von Rezepturarzneimitteln nur eine Aufsichtsfunktion aus. Sie prüft die Sicherheit und Wirksamkeit der Arzneimittel nicht. Rezepturarzneimittel müssen nicht von der FDA zugelassen werden. Stattdessen werden die Praktiken der Herstellung von Rezepturarzneimitteln von bundesstaatlichen Behörden der Arzneimittelherstellung kontrolliert. Einige dieser Behörden sprachen wie die FDA Warnungen hinsichtlich Semaglutid aus.
Novo Nordisk, der Hersteller von Ozempic und Wegovy, leitet gerade rechtliche Schritte ein, um die Sicherheit der Patienten in den USA zu gewährleisten. Diese Maßnahmen richten sich gegen Apotheken, die Rezepturarzneimittel herstellen, und andere Einrichtungen wie Thermalbäder und Kliniken, die von der FDA nicht zugelassene Arzneimittel vermarkten und verkaufen, die angeblich Semaglutid enthalten.
Wichtig ist auch, dass Patienten Rezepturarzneimittel nicht direkt bei einem Hersteller beziehen können. Sie benötigen ein Rezept von einem approbierten Gesundheitsdienstleister. Angebote, die sich direkt an Konsumenten richten, stammen nicht von Herstellern von Rezepturarzneimitteln, sondern eher von dubiosen Anbietern, die Geld verdienen wollen.
Wie können Sie Ihre Patienten vor Risiken, die mit Rezepturarzneimitteln einhergehen, schützen?
Die Semaglutid-Lieferengpässe stellen eine Herausforderung dar. Sie können aber dazu beitragen, die daraus resultierenden Risiken zu verringern.
Wenn Sie eine Zusammenarbeit mit einem Hersteller von Rezepturarzneimitteln überlegen, sollten Sie die Warnung der FDA bezüglich der Salze von Semaglutid ernst nehmen. Und sprechen Sie mit Ihren Patienten über die Bedenken der FDA und Sicherheitsaspekte, die zu beachten sind. Wichtig sind zum Beispiel die Vorsichtshinweise der FDA:
- Patienten sollten Arzneimittel mit Semaglutid nur auf Rezept von einem approbierten Gesundheitsdienstleister erhalten.
- Die Arzneimittel sollten für Patienten nur in Apotheken oder Vertriebsstellen mit staatlicher Zulassung, die bei der FDA registriert sind, erhältlich sein.
- Wenn Patienten online von unkontrollierten, nicht zugelassenen Quellen Arzneimittel erwerben, besteht die Gefahr, unsichere Medikamente zu kaufen.
- Die BeSafeRX-Kampagne der FDA kann Patienten, die Online-Apotheken nutzen, dabei helfen, sicherere und fundiertere Entscheidungen zu treffen.
Wie lange werden die Semaglutid-Lieferengpässe noch andauern?
Novo Nordisk arbeitet nach eigenen Angaben daran, die Produktionskapazitäten für Semaglutid zu erhöhen. Man geht jedoch von weiteren Lieferunterbrechungen bei Wegovy aus.
Vorläufig empfiehlt Novo Nordisk Folgendes:
- Patienten sollten Ihre Apotheke schon früher als sonst für Nachbestellungen kontaktieren.
- Sie sollten genaue Angaben zur Dosisstärke machen.
- Wenn Gesundheitsdienstleister bei neuen Patienten mit einer Therapie beginnen, sollten sie die beschränkten Lieferkapazitäten und mögliche Versorgungsschwierigkeiten berücksichtigen.
Gibt es andere Optionen mit Semaglutid?
Novo Nordisk bietet noch ein drittes von der FDA zugelassenes Semaglutid-Medikament an: Rybelsus. Erwachsene mit Typ‑2-Diabetes können diese einmal täglich einzunehmenden Tabletten zur Senkung Ihres Blutzuckerspiegels verwenden. Derzeit ist Wegovy das einzige Semaglutid-Medikament, das von der FDA zum Gewichtsmanagement zugelassen ist.
Erwähnenswert ist auch, dass das von Eli Lilly hergestellte Tirzepatid als wöchentliche Injektion für Erwachsene mit Adipositas im Oktober 2022 in das Fast-Track-Programm der FDA aufgenommen wurde. Das ermöglicht eine schnellere Beantragung der Zulassung und eine beschleunigte Prüfung durch die FDA. Damit wird es auch zu einem Arzneimittel, das man im Auge behalten sollte, während der Hype um Ozempic und Wegovy andauert.